Zur Lage von Gastarbeiter*innen in Golfstaaten Das unerträgliche Schweigen
Nazmul Biswas aus Khulna ging nach Katar, in der Hoffnung, die finanzielle Lage seiner Familie zu verbessern. Mit demselben Traum gingen Golam Mustafa aus Comilla nach Saudi-Arabien und Rabiul Awal aus Narayanganj nach Dubai. Doch letztes Jahr im Dezember kehrten alle drei jungen Männer in Särgen nach Bangladesch zurück. Nazmul kam bei einem Unfall ums Leben, die beiden anderen starben an einem Schlaganfall und an einer Herzerkrankung.
Darüber hinaus kamen zwischen 2008 und Juni 2022 insgesamt 45.301 Leichen von Migranten in Bangladesch an. Davon kamen 27.231 Leichen (63 Prozent) aus sechs Golfstaaten. Allein 12.930 von ihnen kamen aus Saudi-Arabien. Außerdem kamen 5.123 Leichen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, 3.776 aus Oman, 2.724 aus Kuwait, 1.011 aus Bahrain und 1.562 aus Katar. Viele weitere im Ausland verstorbene Migranten aus Bangladesch wurden aus verschiedenen Gründen vor Ort beigesetzt, insbesondere in Saudi-Arabien.
Zuvor waren zwischen 2003 und 2007 bereits 6.017 Leichen von Wanderarbeitern eingetroffen. Zuvor, im Jahr 2002, lagen dem Flughafen Informationen über die Ankunft von 3.613 Leichen vor. Insgesamt wurden bisher schätzungsweise 54.931 Leichen von Wanderarbeitern ins Land gebracht.
Viele Opfer sind jung
Der Tod von Wanderarbeitern in Katar, dem Land, in dem die Fußballweltmeisterschaft 2022 ausgetragen wurde, ist weltweit kritisiert worden. Über den Tod von Arbeitern in den anderen Golfstaaten wurde jedoch weitgehend geschwiegen. Nach Angaben des internationalen Flughafens Shahjalal in Dhaka kommen täglich durchschnittlich 8 bis 10 Leichen an. Den Unterlagen zufolge sterben die meisten Migranten, die mittleren Alters oder jung sind, an einem Hirnschlag - andere Ursachen sind Herzerkrankungen, Arbeitsunfälle, Verkehrsunfälle, Selbstmord und weitere.
Es gibt jedoch keine nationale Untersuchung darüber, warum so viele Migranten in so jungem Alter an einem Hirnschlag oder Herzinfarkt sterben.
Nach Angaben von Migranten, Angehörigen der Verstorbenen und Experten sind die Temperaturen in den Ländern des Golf-Kooperationsrates (GCC) zu heiß für die Migranten. Ungelernte oder gering qualifizierte Bangladescher verrichten riskante und schwierige Arbeiten bei rauem Wetter. Die lebensfeindliche Umgebung, zwölf bis 18 Stunden unmenschliche Arbeit pro Tag, schlechte Lebensbedingungen, lange Trennung von Verwandten und psychischer Stress führen in der Regel zu Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Jeder kann den Frachtbereich des Flughafens von Dhaka beobachten, wo die Leichen in Särgen an die Familien übergeben werden. Es gibt keine Sitzgelegenheiten oder Toiletten für die wartenden Familien. Und wenn sie schließlich die toten Körper ihrer Angehörigen sehen, können viele das nicht verkraften. Ihr Leid hat also kein Ende.
Katar hat für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 mehr als 200 Milliarden US-Dollar für acht neue Stadien, Flughäfen, Straßen und moderne öffentliche Verkehrssysteme ausgegeben. Dafür benötigte das Land eine große Anzahl von Arbeitskräften, die fast alle Migranten waren, auch aus Bangladesch.
Hunderttausende Migranten
Nach Angaben des Bureau of Manpower, Employment, and Training (BMET) kamen 1976 nur 1.121 Migranten nach Katar. Danach stieg die Zahl allmählich an, blieb aber bis 2011 auf 10.000 bis 12.000 Migranten pro Jahr begrenzt. Aufgrund des enormen Entwicklungsprojekts der Fußballweltmeisterschaft kamen 2012 aber 28.000 Migranten aus Bangladesch nach Katar, 2013 waren es 58.000, 2014 dann 87.000, 2015 sogar 124.000 und 2016 auch nochmal 120.000. In den folgenden Jahren ging der Zustrom von Arbeitskräften nach Katar zurück. Im Jahr 2021 gingen 11.158 Arbeitnehmer nach Katar.
Verschiedenen internationalen Medienberichten zufolge starben zwischen 2011 und 2020 insgesamt 6.650 Wanderarbeiter aus Indien, Pakistan, Sri Lanka, Nepal und Bangladesch in Katar, während sie an massiven Entwicklungsprojekten für die Fußballweltmeisterschaft arbeiteten. Unter ihnen waren 1.018 Bangladescher.
Während sich die Medien weltweit sehr kritisch dazu geäußert haben, haben sie über den Tod von 27.231 Arbeitern in anderen GCC-Ländern geschwiegen.
Auch Frauen betroffen
Ich verfolge diese Angelegenheit seit 14 Jahren und habe versucht herauszufinden, warum so viele Wanderarbeiter sterben. Die Fakten: Von den 307 Leichen, die im Dezember 2019 ankamen, starben 176 (56 Prozent) an einem Schlaganfall und waren jung oder im mittleren Alter. Zweiundsechzig (20 Prozent) starben an Herzkrankheiten oder natürlichen Ursachen. Siebenundfünfzig Migranten (18 Prozent) starben bei verschiedenen Unfällen. Zwölf (4 Prozent) starben bei Verkehrsunfällen. Drei begingen Selbstmord, und zwei wurden getötet.
Neben den oben genannten Ursachen tragen auch die Ernährungsgewohnheiten, die schwierige Arbeit, der ständige Stress, die Unterdrückung durch die Arbeitgeber, die verschiedenen Forderungen der Verwandten im Land, der ständige Druck, Geld nach Hause zu schicken, und das eintönige Leben, das sie ohne ihre Familien führen, dazu bei.
In den meisten Todesfällen verliert die gesamte Familie ihre einzige Einkommensquelle und wird mittellos. Und die Familien leiden, weil sie viel Geld ausgegeben haben, um sie ins Ausland zu schicken - ganz zu schweigen davon, dass durch ihren Tod viele Frauen ohne Mann und viele Kinder ohne Vater zurückbleiben.
Ursachen müssen untersucht werden
Aber die Leichen, die zurückkehren, sind nicht nur die von Männern, sondern auch von Frauen. Nachdem Saudi-Arabien 2015 damit begonnen hat, eine große Zahl von Arbeiterinnen aus Bangladesch aufzunehmen, kehren auch Frauenleichen zurück. Von 2016 bis 2021 kamen fast 600 weibliche Leichen in Dhaka an. Selbstmord ist neben Schlaganfall, Herzkrankheiten und Unfällen eine der häufigsten Todesursachen bei Frauen. Mindestens 31 Prozent der Todesfälle sind Selbstmorde, Tendenz steigend, insbesondere in Saudi-Arabien.
Das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft in Katar fand am 18. Dezember statt, dem Internationalen Tag der Migranten. Natürlich ist die Migration von Arbeitnehmern für ein Land wie Bangladesch sehr wichtig, da es dadurch ausländische Devisen erhält. Die Regierung von Bangladesch hat eine Reihe von Initiativen für ihre Wanderarbeiter ergriffen. Dennoch gibt es noch viel zu tun. Dazu gehört, dass die Ursachen für den Tod von Wanderarbeitern untersucht werden müssen. Wenn die Gründe ermittelt werden können, können die verschiedenen Akteure vielleicht Maßnahmen ergreifen, um das Sterben zu verhindern.
Der Autor Shariful Hasan ist freiberuflicher Journalist. Der Text ist zuerst in der bangladeschischen Tageszeitung "The Daily Star" erschienen.
Foto (Flugzeug aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Flughafen in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka): Md. Shaifuzzaman Ayon.