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Eine Familie berichtet aus ihrem Alltag Zwischen Fabrikarbeit und Dorfleben

Die heute 52-Jährige musste als junge Mutter mit ihren beiden Töchtern in ihr Elternhaus im Dorf Rasulpur zurückkehren. Ihr Mann hatte sie im Stich gelassen. Fortan verdingte sie sich wie ihre Eltern als Tagelöhnerin in der Landwirtschaft. Ihr Vater starb früh, das Leben der Familie blieb von Armut geprägt. Und das hatte Folgen: Tochter Chalitra musste die Schule nach der achten Klasse aufgeben, ein Nachbar besorgte ihr Arbeit in einer Bekleidungsfabrik in der Hauptstadt Dhaka. Sie bekam einen Monatslohn von 30 Euro, heiratete 2011 einen jungen Mann, der ebenfalls in der Textilindustrie arbeitete.

Kurz darauf nahm sie ihre drei Jahre jüngere Schwester Maya mit, damit diese ebenfalls in der Fabrik arbeiten konnte. Dann, im April 2013, folgte der schreckliche Einsturz des „Rana Plaza“-Gebäudes und sorgte für Aufregung: Arbeiter*innen der Branche forderten mehr Schutz und Sicherheit, zugleich verringerten ausländische Modefirmen Aufträge für Bangladesch. Fabriken begannen, Arbeiterinnen zu entlassen. Auch Chalitra und ihre Schwester verloren ihre Arbeit und kehrten mit Angst und Unsicherheit in ihr Heimatdorf zurück. Dort hatten sie abseits der Landwirtschaft jedoch keine Perspektive. Chalitra ging bald wieder nach Dhaka zurück, wurde selbst Mutter, ihr Mann starb bald darauf an einem plötzlichen Herzinfarkt. So musste die junge Frau bald wieder in die Fabrik zurückkehren und Geld verdienen, während ihre kleinen Kinder bei Großmutter Renu Bala blieben.

Es ist ein typisches Beispiel für Binnenmigration in Bangladesch: Chalitra arbeitet hart in der Ferne, schickt Geld nach Hause, wo die Großmutter die Enkelkinder aufzieht – und doch bleibt für alle immer kaum genug zu überleben.

„Ich sehe sie nur zweimal im Jahr, es ist so schwer“, sagt Chalitra über ihre Kinder. Und meint über die Millionenmetropole Dhaka: „Mein Herz möchte nicht hierbleiben.“ Aber sie hat Träume für ihre Kinder, sie sollen eine ordentliche Schullaufbahn und Ausbildung bekommen.

Unterstützung für Großmutter Renu Bala kam unterdessen von einer lokalen NGO. Polli Sree hat die Frau 2018 in ein Landwirtschaftsprojekt aufgenommen, durch das Renu Bala mit Viehzucht selbstständig die Armut überwunden hat und zu ihren Rechten als alleinstehende Frau kam. So hat, trotz aller Umstände, die Familie inzwischen wenigstens ein auskömmliches Lebens ohne Hunger – und eine bessere Zukunftsperspektive.

Protokoll: Sven Wagner


Dieser Beitrag erschien in der Bangladesch-Zeitschrift NETZ, Ausgabe 1-2023 "Doch nur das 'Klamottenmädchen'? - Wie Die Welt Bangladeschs Textilarbeiterinnen vergessen hat" zum Thema "10 Jahre Rana Plaza". Die Zeitschrift können Sie als PDF downloaden oder als Drucksache bei uns anfordern.

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