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Kritik an Impf-Ungleichheit wächst Faire Impfkampagnen für Südasien gefordert

Während die Corona-Pandemie die Welt weiterhin fest im Griff hat, schreiten die Impfkampagnen in vielen Ländern voran. Allerdings drohen sich die Verteilungskämpfe rund um Impfstoffe international und selbst regional weiter drastisch zu verschärfen. Für Südasien fordern Menschenrechtler*innen daher nun, dass die Regierungen sicherstellen sollen, vulnerable Gesellschaftsgruppen nicht vom Zugang zu Covid-19-Impfstoffen auszuschließen. In einem aktuellen Bericht von Amnesty International (AI) heißt es dazu: Während in ganz Südasien Impfprogramme angelaufen seien, habe man Gruppen wie Slumbewohner*innen, Dalits, ethnische Minderheiten oder Tagelöhner*innen und Arbeiter*innen in der Bekleidungsindustrie oder auf Teeplantagen Zugang zu Impfstoffen bisher verwehrt. Als Grund nennt AI ein Informationsdefizit: Die Betroffenen seien nicht ausreichend über Impfstoffe aufgeklärt worden und hätte keine technische Unterstützung für Impfprogramme erhalten. „Bei der Einführung von Impfkampagnen wurden marginalisierte Gruppen in ganz Südasien durch praktische Barrieren effektiv ausgeschlossen“, erklärt Yamini Mishra, AI-Direktorin für den asiatisch-pazifischen Raum, dazu. Die Bemühungen im Rahmen der Impfkampagnen in den Ländern hätten bisher nur mittlere und höhere Einkommensgruppen erreicht." Die Regierungen Südasiens müssten einen fairen und gerechten Zugang zu Impfstoffen für alle sicherstellen, fordert Mishra. „Wer man ist und wo man lebt, sollte nicht über den Zugang zum Impfstoff entscheiden."

Die Organisation rief die internationale Gemeinschaft außerdem dazu auf, das vergleichsweise gravierende Versorgungsdefizit mit Vakzinen in der Region Südasien zu beheben. Denn angesichts einer immer umfangreicheren Produktion von Covid-19-Impfstoffen, zeigt sich zugleich die globale Ungleichheit beim Impfen deutlich, wie die indische Ökonomin Jayati Ghosh in einem aktuellen Debattenbeitrag schreibt. Sie bezeichnet „Impfstoff-Grabbing“ durch Industrieländer, den regierungsgestützten Schutz von Patentrechten, der eine breitere Produktion von Impfstoffen verhindert und den Impfstoffvertrieb als diplomatisches Druckmittel dabei als wesentliche Probleme.

Eine Pandemie kann offensichtlich nur überwunden werden, wenn sie überall überwunden wird, schreibt Ghosh. Das heißt: Weltweit müssten gemeinsam und gleich stark Anstrengungen zum Impfen gegen Covid-19 koordiniert werden. Eine Verzögerung bei der Impfung von Menschen erhöhe die Gefahr von Virusmutationen, wodurch sich die Pandemie - selbst in den Industrieländern – nur schwer unter Kontrolle bringen lasse. „Ein Jedes-Land-für-sich-Ansatz ist irrational und sogar kontraproduktiv. Und doch ist genau das passiert“, schreibt Ghosh und erklärt es wie folgt: Als die drei anfangs verheißungsvollsten Impfstoffe (von Pfizer-Biontech, Moderna und Astrazeneca – anders als bis dahin nicht endgeprüfte chinesische oder russische Stoffe) in den USA und Europa zugelassen wurden, stürzten sich die Industrieländer darauf und erhoben Anspruch auf die Vakzinen – mit dem absehbaren Ergebnis, dass sich jene Covid-19-Impfstoffe bis Ende Februar 2021 stark auf die Industrieländer konzentriert hatten.

Dabei deutlich außenvor geblieben war laut Ghosh eines der eigentlich wichtigsten globalen Instrumente zur Pandemiebekämpfung: die „Covid-19 Vaccines Global Access Facility“ (Covax). Jene hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegründet, um Impfstoffe global gerecht zu verteilen und zu verhindern, dass kapitalstarke Staaten und Staatenverbände Impfstoffe horten, während Entwicklungsländer leer ausgehen. Covax zielt darauf ab, die Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen zu beschleunigen, Dosen für alle Länder zu sichern und diese Dosen gerecht zu verteilen. Bis Anfang 2021 hatten sich 190 Länder, die den größten Teil der Weltbevölkerung repräsentieren, der Koalition angeschlossen. Die Idee: Länder mit höherem und mittlerem Einkommen zahlen ihre Impfdosen eigenständig, während die 92 einkommensschwächeren Mitgliedsländer die Vakzinen kostenlos erhalten. Zeitnah sollten Impfstoffe an jene Länder geliefert, in denen sich das Virus schnell ausbreitet, auch andere Krankheitserreger etwa Masern eine große Zusatzbelastung sind und das Gesundheitssystem anfällig und überlastet ist, erklärt Ghosh in ihrem Essay und spricht von einem „fairen System“.

Das große Problem ist der Ökonomin zufolge aber: Covax sei immer noch unterfinanziert und habe bisher erst vier Milliarden Dollar statt den für 2021 veranschlagten 6,8 Milliarden aufgebracht. Noch schlimmer sei, dass nicht genügend der für die kostenlose Verteilung an Entwicklungsländer benötigten Impfstoffe gekauft wurde. Da die Länder auch außerhalb von Covax Impfstoffe einkaufen könnten, konkurrierten Industrienationen darum, separat bilaterale Verträge mit Pharmaunternehmen zu schließen. Dementsprechend landet viel weniger Impfstoff in der Sammlung der globalen Koalition. Kanada hat Ghosh zufolge eigenständig Impfstoffe bestellt, die mehr als das Zehnfache seiner Bevölkerung versorgen könnten - und habe dann auch noch Impfstoffe von Covax bekommen wollen. Die USA hätten separat Impfstoffe bestellt, die mehr als dem Vierfachen ihrer Bevölkerung entsprechen.

Ghosh spricht von einem „Impfstoff-Klau wohlhabender Länder“, der zur Folge habe, dass der größte Teil der Welt erst im Jahr 2022, in einigen Fällen sogar erst 2024, sichere und zugelassene Impfstoffe erhalten werde. Schon zu Jahresbeginn kritisierte auch der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, dass in den Industrieländern bereits 39 Millionen Impfdosen verabreicht worden waren, in einem einzigen Entwicklungsland dagegen nur insgesamt 25 Dosen. 170 der ärmsten Länder weltweit hatten demnach bis dahin überhaupt keine Impfstoffe erhalten. Ghebreyesus erklärte dazu: „Die Welt steht am Rande eines katastrophalen moralischen Versagens - und der Preis für dieses Versagen wird mit Leben und Lebensgrundlagen in den ärmsten Ländern der Welt bezahlt werden.“ Die Ökonomin Jayita Ghosh rechnet ebenfalls vor: Innerhalb eines Monats nach der Zulassung der ersten drei Impfstoffe hatten Industrieländer - die nur 14 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen - für rund 85 Prozent der geschätzten Gesamtproduktion für 2021 geordert. Ein Großteil davon seien allein Vorbestellungen gewesen, noch bevor überhaupt eine Zulassung erteilt wurde.

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