"Viele wissen gar nichts über die Rechte von Frauen"
Im NETZ-Projektschwerpunkt Menschenrechte verteidigen engagieren sich ganz unterschiedliche Menschen als Friedensmacher*innen und tragen dazu bei, Konflikte gewaltfrei zu transformieren. Hier erzählt Polizistin Mahfuja Akter (27) aus Mohadevpur, warum ihr die ehrenamtliche Arbeit am Herzen liegt:
"Wir Frauen arbeiten auf der Polizeistation in der Regel am Schreibtisch. Grundsätzlich bearbeiten wir alle Fälle, die mit Frauen zu tun haben – Opfer wie Täterin. Wenn Betroffene zu uns kommen, um etwas anzuzeigen, sind wir die ersten Ansprechpartnerinnen. Wir treffen also auch auf jene, die Gewalterfahrungen gemacht haben und Hilfe suchen.
Mein Vorgesetzter regte an, dass ich an einem Training der Friedensinitiative hier in der Region teilnehme. Mir war zunächst nicht klar, was da auf mich zukommt – Frieden ist ein großes Wort. Als ich dann vor Ort war, wurde deutlich, worum es geht: Ich sollte etwas lernen über Konflikttransformation und gewaltfreies Handeln und Kommunizieren.
Unser Vorgesetzter hatte mehrere Beamt*innen zu dem Training geschickt. Er sieht die Initiative als Pionierprojekt, von dem wir als Polizei lernen können. Denn wir haben täglich mit vielen Problemen zu tun, Gewalt gegen Kinder und Frauen etwa. Im Training haben wir viele Dinge gelernt, die wir dann ganz praktisch anwenden können. Zum Beispiel: Egal wie stressig ein Tag ist, versuche ich nun trotzdem immer wieder die Perspektive der Betroffenen einzunehmen und mit Empathie und Respekt mit ihnen zu reden. Ich handele jetzt fürsorglicher und schenke den Menschen mehr Zeit und Aufmerksamkeit.
Beinahe noch wichtiger als das Gelernte ist die Tatsache, dass wir überhaupt in Verbindung mit den Friedensmacher*innen sind. Dieser Austausch ist für beide Seiten hilfreich. Wir haben Telefonnummern ausgetauscht, ich bekomme öfters Anrufe von den Leuten, die um Rat fragen, wenn sie einen neuen Fall haben. Oder sie schicken uns weiteres Infomaterial zum Thema Gewaltfreiheit, das wir dann nachlesen können. Das mit Abstand größte Problem in der Region ist häusliche Gewalt. Frauen erleben schreckliche Dinge. Ab und zu kommen sie selbst zur Polizeiwache. Meist aber erreichen uns Notrufe. Dabei geht es manchmal um Beziehungsstreitigkeiten junger Paare. Doch oft kommt es auch zu harter körperlicher Gewalt gegen Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter. Psychische oder wirtschaftliche Formen der Gewaltausübung werden selten angezeigt. Ich bin nun seit acht Jahren im Dienst, diesen Juni habe ich meinen bisher schlimmsten Fall erlebt: Eine Frau wurde tot aufgefunden, sie war an Händen und Füßen gefesselt, der Hals stranguliert. Vor Ort haben wir festgestellt, dass es sich nicht um eine Frau, sondern ein 13 Jahre altes Mädchen handelt. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass ihre Mutter eine außereheliche Affäre mit einem Mann hatte. Das Mädchen bat sie, die Beziehung zu beenden – um ihrer Familie Willen. Als der Liebhaber das mitbekam, hat er das Mädchen einfach umgebracht. Sie war in der sechsten Klasse.
Unser Vorgesetzter schildert es immer wieder deutlich: Frauen werden prinzipiell diskriminiert, weil sie als Untergebene gesehen werden. Dass sie oft schlechter ausgebildet sind und weniger Schulbildung als Männer haben, trägt wesentlich dazu bei. Genau wie die Tatsache, dass viele Mädchen noch im Kindesalter verheiratet werden. Armut ist bei allem ein wesentlicher, treibender Faktor. Und so wissen viele gar nichts über die Rechte von Frauen. Durch Gruppen wie die Friedensinitiative können die Menschen lernen, was recht ist und was nicht. Sie werden motiviert, etwas zu verändern und sie erfahren Wertschätzung, weil sich jemand ihrer annimmt. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft. Auch wir als Polizei – denn wo es weniger Gewalt gibt, gibt es auch weniger Straftaten, denen wir nachgehen müssen."