
Klimagerechte Zukunft: Das haben wir 2022 erreicht
Der Klimawandel mit seinen fatalen Auswirkungen beschädigt Ökosysteme, verstärkt soziale Ungleichheit und gefährdet die Lebensgrundlage vieler Menschen. Insbesondere indigeneGruppen, landwirtschaftliche Tagelöhner*innen und Bewohner*innen abgelegener ländlicher Gebiete sind betroffen. NETZ fördert die Anpassung an den Klimawandel in allen Projektbereichen und entwickelt mit den Betroffenen vor Ort Strategien und praktische Lösungen auf Grundlage bewährter Ansätze.
Für eine Studie hat NETZ 2022 mehr als 400 Familien, Ehepaare und alleinstehende Frauen befragt, um die lokalen Auswirkungen des Klimawandels und von Naturkatastrophen noch besser nachzuvollziehen. An erster Stelle steht für viele das sich immer unberechenbarer verändernde Wetter zu allen Jahreszeiten: extreme Hitzewellen, lange Dürreperioden und ausbleibender Regen – sowie andererseits extreme Regenfälle und Hagel. Das führt zu Viehsterben und Missernten sowie zu sozialen Konflikten in Dörfern, besonders dem Kampf um Ressourcen. Die Folge: Alleinstehende Frauen und frauengeführte Haushalte können sich am wenigsten durchsetzen und leiden als „Schwächste“ am meisten unter dem Klimawandel. Sie haben wenige Reserven und Ressourcen, sich anzupassen. Staatliche Behörden schenken ihnen kaum Beachtung. Und unter dem Druck, die Familie zu versorgen, schaffen sie es kaum, für Ressourcen wie Wasserquellen oder Fischteiche zu streiten. NETZ-Projekte sehen den Klimawandel daher auch als besonderes Unrecht gegenüber Frauen und Mädchen an.
Kollektiver Einsatz gegen Klimaungerechtigkeit
Mariala im Süden Bangladeschs ist ein typisches Küstendorf: Die Menschen leben vom Fischfang, die Region ist umgeben von Wasser. Doch genau das ist längst zum Problem geworden. Salziges Meerwasser zieht ins Landesinnere, verdirbt Quellen und macht Mensch und Vieh krank. Für Frauen, die sich traditionell im Dorfteich waschen, birgt das unhygienische Wasser Risiken. Die Trinkwasserversorgung ist das größte Problem im Dorf. Die Bewohner*innen sammeln zwar Regenwasser in Behältern, das reicht aber bei Weitem nicht aus. 2022 hat es wenig geregnet – die Menschen waren gezwungen, auch das Salzwasser zum Trinken und Kochen zu nutzen. Zuvor hatte bereits ein Wirbelsturm das Dorfzentrum zerstört. Dort liegt heute nur noch ein Salzsee.
Rokeya Begum nimmt das nicht länger hin. Ihre Familie hat durch Flusserosion inzwischen fast den gesamten Grundbesitz verloren. Die 22-Jährige sitzt nun einer im Rahmen eines NETZ-Projekts neu gegründeten Dorfgruppe vor. Die Frauen dort treffen sich wöchentlich, sprechen über Gesundheitsthemen und Gartenbau. Bei jeder Zusammenkunft bringen sie Reis mit, der in einer „Reisbank“ für Notfälle deponiert wird. Auch Saatgut sammeln sie und geben es bei Bedarf aus. Die Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihr Dorf vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Sie entwickeln Anbaumethoden, mit denen Nutzpflanzen besser in den vom Salz schwer beschädigten Böden gedeihen. Mit großflächiger Garnelenzucht verdienen Geschäftsleute hier im Süden viel Geld. „Doch es dauert normalerweise mehrere Jahre, bis die Böden solcher Anlagen anschließend wieder für die Landwirtschaft genutzt werden können“, erklärt Rokeya Begum. Ihre Gruppe erarbeitet Wege, wie Häuser und Vieh bei Wirbelstürmen geschützt werden können. Sie koordiniert den Zugang zu Flutschutzanlagen und macht lokale Behörden auf andere Probleme wie mangelnde Sanitäranlagen, schlechte Straßen oder fehlende Bildung aufmerksam. „Stürme gehören zu unserem Leben“, sagt Rokeya Begum bezogen auf die klimatische Extremlage der Region. Doch damit meint sie auch, dass die Frauen entschlossen gegen Herausforderungen aller Art kämpfen.
Länderübergreifende Arbeit verstärkt
Als weltweite Herausforderung macht der Klimawandel an Landesgrenzen nicht Halt: Dürreperioden trocknen nicht nur die Ebenen im Westen Bangladeschs aus, sondern auch im angrenzenden indischen Bundesstaat Westbengalen. Kältewellen, Trockenheit oder zerstörerische Regenfälle lassen nicht nur die Flussregionen in Nordbangladesch sprichwörtlich versinken, sie bedrohen auch in Nepal die Existenzen vieler Kleinbäuer*innen. Aus diesem Grund hat NETZ die länderübergreifende Projektarbeit 2022 verstärkt. Familien in anderen besonders betroffenen Regionen Südasiens konnten sich mit klimaresilienter Landwirtschaft besser versorgen, ihr Zuhause vor Extremwetterereignissen schützen und sich untereinander vernetzen. Denn nicht nur Probleme, auch Lösungen werden geteilt. Das durch die Projekterfahrung gesammelte Wissen aus allen Regionen hilft, die Klimaanpassung weiterzuentwickeln.