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NETZ zeigt auch in schwierigen Zeiten: Zusammenhalt macht stark

Die Wetzlarer Menschenrechts- und Entwicklungsorganisation NETZ unterstützt 200.000 Menschen direkt mit Förderprojekten in Bangladesch, Indien und Nepal.

Wetzlar – Es ist ein Bild mit großem Symbolcharakter: Zwei Frauen aus Bangladesch, die buchstäblich zusammenhalten in ihrem Einsatz für ein besseres Lebensumfeld, sind auf dem Titelbild des neuen Jahresberichts 2022 des Wetzlarer Vereins „NETZ Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit“ zu sehen. Zusammenhalt, sagt NETZ-Geschäftsführer Dr. Max Stille, ist der Kern der Arbeit von NETZ insgesamt: „Gemeinsam und solidarisch wird der Kampf gegen Armut und für Gerechtigkeit erfolgreich.“ Dass es 2022 nicht leichter geworden ist, Entwicklungserfolge zu erzielen, lässt sich leicht erkennen. Denn die weltweiten Preissteigerungen sind besonders für von Armut betroffene Menschen ohne Rücklagen existenzbedrohend – während die Klimakrise Bangladesch unvermindert hart trifft.

Und doch hat NETZ bewiesen, dass positive Veränderungen nicht nur im Kleinen möglich sind: „Die Ergebnisse unserer Arbeit von 2022 zeigen uns wieder einmal deutlich, dass sich das gemeinsame Engagement der vielen Menschen lohnt”, erklärt Max Stille. Das bedeutet konkret: Mit Unterstützung aus Wetzlar sichern in einem Jahr 80.604 Menschen ihre Ernährung und stellen sich den Folgen der Klimakrise entgegen. 65.499 Kinder in Bangladesch erhalten guten Schulunterricht. 21.100 Menschenrechtsverteidiger*innen verhindern Gewalt und helfen, in 48.686 Fällen, Sozialleistungen einzufordern. Das ist möglich durch Fördergelder und Spenden aus Deutschland und Österreich, die NETZ gemeinsam mit lokalen Partnern vor Ort gezielt für ein Dutzend entsprechender Projekte umsetzt.

Während das Titelbild des Jahresberichts Mutter und Tochter vereint zeigt, ist die Geschichte dahinter ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz für Frauenrechte. Denn nach dem Tod des Vaters sollte die Tochter die Schule beenden und heiraten. Doch sie sah es anders: „Ich sagte zu meiner Mutter: Ich werde jetzt nicht heiraten! Ich bin viel zu jung und möchte weiter zur Schule gehen.“ Wie sie ihre Meinung äußern und zur Geltung bringen kann, hat sie in einer im NETZ-Projekt gegründeten Menschenrechts-AG an ihrer Schule im Nordwesten Bangladeschs gelernt. Gemeinsam mit Mitschüler*innen überzeugte sie ihre Mutter, dass sie weiter zur Schule gehen darf. Solche Entscheidungen haben laut Stille weitreichende Folgen: „Damit wird die Tochter ein ganz anderes Leben haben als ihre Mutter. Das ist entscheidend, um allen Menschen den Weg zu einer gerechten Zukunft zu ermöglichen. Deswegen sind Frauen seit 30 Jahren Hauptakteurinnen in NETZ-Projekten.“

Fast sechs Millionen Euro konnte NETZ für die Entwicklungszusammenarbeit in den Projektschwerpunkten Ernährung und Klima, Grundbildung und Menschenrechte in Bangladesch, Indien und Nepal einsetzen. Dies sind 92 Prozent der Ausgaben der Organisation. In Deutschland setzt sich NETZ darüber hinaus für Bildungsarbeit an Schulen ein und sensibilisiert politische Entscheidungsträger*innen und die Öffentlichkeit für Auswirkungen des Handelns in Deutschland auf Menschen in Bangladesch. Lediglich 6 Prozent der Ausgaben wurden für Verwaltung, Verein und die Einwerbung von öffentlichen Geldern und Spenden eingesetzt, die die Grundlage der Arbeit des Vereins bilden. Das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen bescheinigt NETZ einen transparenten und sparsamen Umgang mit allen anvertrauten Spenden.

Das Engagement in den verschiedenen Arbeitsschwerpunkten wird der Verein in den kommenden Jahren fortsetzen und festigen, heißt es in der 2022 verabschiedeten Strategie „Climate for Change: Wandel für Gerechtigkeit“. Denn die Klimakrise trifft Bangladesch weltweit mit am härtesten und bedroht die Grundbedürfnisse der Menschen, für die der Verein arbeitet. Als Beispiel nennt Max Stille den Ort Mariala im Süden Bangladeschs. In diesem typischen Küstendorf leben die Menschen vom Fischfang. Die Region ist umgeben von Wasser. Doch genau das ist längst zum Problem geworden: Salziges Meerwasser zieht ins Landesinnere, verdirbt Grundwasserquellen und macht Mensch und Vieh krank. Für Frauen, die sich traditionell im Dorfteich waschen, birgt das unhygienische Wasser Risiken. Auch die Trinkwasserversorgung ist ein großes Problem. Die Bewohner*innen sammeln zwar Regenwasser in Behältern, das reicht aber bei Weitem nicht aus. 2022 hat es wenig geregnet – die Menschen waren gezwungen, auch das Salzwasser zum Trinken und Kochen zu nutzen. Zuvor hatte bereits ein Wirbelsturm das Dorfzentrum zerstört. Dort liegt heute nur noch ein Salzsee.

Rokeya Begum ist Vorsitzende einer in einem NETZ-Projekt gegründeten Dorfgruppe und einst extrem arm. Die Frauengruppe trifft sich wöchentlich, man spricht über Gesundheitsthemen und Gartenbau. Bei jeder Zusammenkunft bringen die Mitglieder etwas Reis mit, der in einer „Reisbank“ für Notfälle deponiert wird. Auch Saatgut sammeln sie und geben es bei Bedarf aus. Die Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihr Dorf vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Sie entwickeln Anbaumethoden, mit denen Nutzpflanzen besser in den vom Salz schwer beschädigten Böden gedeihen. Die Versalzung durch die Garnelenzucht ist ein weiteres Problem, da hierfür noch mehr Salzwasser auf die Felder geleitet wird. Begums Gruppe erarbeitet Wege, wie Häuser und Vieh bei Wirbelstürmen geschützt werden können. Sie koordiniert den Zugang zu Flutschutzanlagen und macht lokale Behörden auf andere Probleme wie mangelnde Sanitäranlagen, schlechte Straßen oder fehlende Bildung aufmerksam. „Stürme gehören zu unserem Leben“, sagt Rokeya Begum über die klimatische Extremlage der Region. Doch damit meint sie auch, dass die Frauen entschlossen gegen Herausforderungen aller Art kämpfen.

Die mehr als 2.600 Ehrenamtlichen, die bei NETZ in Mittelhessen und ganz Deutschland 2022 engagiert waren, werden diese Anstrengungen mit Sicherheit weiter unterstützen.