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Protestbewegung Shahbag

Protestbewegung Shahbag

NETZ Zeitschrift 2-2013 | Anfang Februar 2013 lösen zwei Finger, die zum Victory-Zeichen gespreizt sind, eine der größten Protestbewegungen Bangladeschs aus. Wochenlang demonstrieren zehntausende Menschen, an einigen Tagen sogar hunderttausende. Sie protestieren lautstark und mit kreativen Ausdrucksformen. Sie erheben Einspruch gegen Gerichtsurteile für Verbrechen gegen die Menschheit im Unabhängigkeitskrieg 1971, welche aus ihrer Sicht zu milde sind, und wachsenden Einfluss religiöser Fundamentalisten in Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Sie kommen im ganzen Land zusammen – vor allem auf dem Shahbag-Platz in Dhaka, welcher der Bewegung ihren Namen verleiht. In ihr aktiv sind junge und ältere Menschen, Frauen wie Männer, Personen aus allen sozialen Schichten.

Das Siegeszeichen, das den Proteststurm auslöste, machte Abdul Quader Mollah wenige Minuten nachdem er vom Kriegsverbrechertribunal zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden war. Er ist stellvertretender Generalsekretär der Jamaat-e-Islami, der größten islamistischen Partei des Landes. Ein eindeutiges Signal, dass er dieses Urteil nicht als endgültig betrachtet. Denn wechselnde politische Mehrheiten, etwa infolge der zum Jahreswechsel anstehenden Parlamentswahl, könnten eine Freilassung und Rückkehr in politische Ämter mit sich bringen. Politischer Einfluss, der dafür eingesetzt werden könnte, um mit aller Härte gegen Andersdenkende in Politik und Gesellschaft vorzugehen. Bereits in Reaktion auf die sechs bisherigen Verurteilungen des Tribunals kam es wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jamaat-Anhängern und den Sicherheitskräften. Über 100 Menschen wurden dabei getötet. Dutzende Tempel und hunderte Häuser von Hindus wurden zerstört.

Die Autorinnen und Autoren in dieser Ausgabe beschreiben die Potenziale und Herausforderungen der in Bangladesch bisher einzigartigen Shahbag-Bewegung und welche Auswirkungen sie auf die politische Kultur des Landes haben könnte. Zudem beleuchten sie den Einfluss islamistischer Gruppen, insbesondere der Jamaat. Wichtig ist im Blick zu behalten, dass die Shahbag-Bewegung ebenso wie die Jamaat nur Teile einer viel breiteren gesellschaftlichen Auseinandersetzung sind. Daneben gibt es weitere wichtige gesellschaftliche Akteure und Gruppen: aus der Zivilgesellschaft, der Politik und der Wirtschaft. Säkulare wie religiöse.

Bangladesch erlebt aktuell eine wichtige Phase. Die Kriegsverbrecherprozesse beschäftigen einen Großteil der Bevölkerung. Viele Menschen sind persönlich betroffen, beklagen Kriegsopfer in der eigenen Familie oder unter den engsten Freunden. Eine wirkliche Aufarbeitung der Verbrechen im Unabhängigkeitskrieg, wie Massenexekutionen und Vergewaltigungen, gab es bislang nicht.

Der Umgang der Bürger mit den gegenwärtigen Gewaltausbrüchen und den zugrundeliegenden Ursachen ist wegweisend für das Land. Von ihm hängt ab, ob es zukünftig ein säkulares, pluralistisches und demokratisches Bangladesch geben wird. Der Schutz der Menschenrechte aller Beteiligten, einschließlich des Rechts auf Leben, ist dabei zentral.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Niko Richter, Stellvertretender NETZ-Geschäftsführer

NETZ Bangladesch Zeitschrift 2/2013 Protestbewegung Shahbag

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