Im Schatten
Sie sind die Ersten, an die man denkt, wenn es um Literatur in Bangladesch geht: Rabindranath Tagore und Kazi Nazrul Islam. Der Eine bekam 1913 den Literaturnobelpreis verliehen, der Andere wird als „Nationaldichter“ des Landes verehrt. Beide sind legendär. Und beide sind Männer. Hier, in diesem Park im Meeresmuseum der südöstlichen Stadt Cox’s Bazar, stehen sie jedoch im Schatten einer Frau – die Bildung und Weisheit für das ganze Land symbolisiert. Und diese Installation darf durchaus symbolisch verstanden werden: Literatur ist keine per se männliche Domäne. Es gibt zahlreiche mutige Autorinnen, die in starken Geschichten der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, Missstände anprangern und zugleich inspirieren.
Wer schreibt, ist einzigartig. Ob Zeitungsreporterin, Buchautor oder Poetin – was ein Mensch mit seinen eigenen Worten wiedergibt, kann kein anderer jemals genau in der gleichen Form tun. Denn Schreiben ist nicht nur Beschreiben. Es drückt viel mehr aus: die eigene Gefühlslage, Wünsche und Träume, auch Unrechtsempfinden. Die eigene Sicht auf die Welt, die die Lesenden aufnehmen.
Und wer nicht schreibt? Der kann auch nicht gelesen werden. Dessen womöglich sehr wichtige Gedanken bleiben unverstanden. In den vergangenen zwei Jahrhunderten suchte man Autorinnen in der südasiatischen und bangladeschischen Literaturszene vergebens – bis auf sehr wenige Ausnahmen wie Rokeya Sakhawat Hossain (1880-1932). Und selbst diese Pionierin der Frauenbewegung wurde für ihr Werk angefeindet. Weil in der fest patriarchalisch strukturieren Gesellschaft die üble Sichtweise herrschte, dass Frauen sich um Haus und Hof kümmern müssen und Bildung für sie „verschenkt“ sei.
Mitnichten! Und das zeigen die vielen Autorinnen, die heute in Kurzgeschichten, Blogs, Zeitungskolumnen, Social-Media-Posts, bei Poetry Slams oder Lesungen aus ihrem Leben berichten. Und diese Geschichten müssen gelesen, gehört und weitergegeben werden.
Text und Foto: Sven Wagner