Einschätzung zum Koalitionsvertrag von VENRO

Aus Sicht der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe enthält der nun vorliegende Koalitionsvertrag ein wenig Licht und viel Schatten. Der Erhalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei wichtig, sagt VENRO. Ein Ministerium ohne ausreichende Finanzierung könne jedoch dem großen Bedarf für ein starkes internationales Engagement Deutschlands kaum gerecht werden.
„Es ist ein wichtiges politisches Signal, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in seiner jetzigen Form erhalten bleibt“, kommentiert Michael Herbst, Vorstandsvorsitzender von VENRO, das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. „Damit ist die Entwicklungszusammenarbeit auch in der kommenden Bundesregierung mit einer eigenständigen Perspektive am Kabinettstisch vertreten und die nötige fachliche Expertise kann eingebracht werden.“ Das Engagement für eine nachhaltige globale Entwicklung, universelle Menschenrechte, bessere Bildung und eine gute Gesundheitsversorgung könne so strukturell weitergeführt werden.
Positiv hervorzuheben sei zudem das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zur Um- und Fortsetzung der Agenda 2030 und zum Pariser Klimaabkommen. „Beide Vorhaben sind elementar für das Ziel einer gerechteren und lebenswerten Zukunft für alle Menschen“, sagt Michael Herbst. Klar sei aber auch, dass dies in der Regierungsarbeit durch kohärente Maßnahmen mit Leben gefüllt werden müsse. "Lippenbekenntnisse allein werden nicht reichen", so Herbst.
Der angedeutete Bruch der kommenden Bundesregierung mit Deutschlands Verpflichtung, die Quote von mindestens 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen (ODA-Quote) zu erfüllen, stehe im deutlichen Widerspruch zu diesen Entscheidungen und sei zugleich auf vielen Ebenen ein fatales Signal, findet VENRO. „Es muss klar gesagt werden, dass Deutschland mit Blick auf eingegangene internationale Verpflichtungen hier gar nicht wirklich sparen kann“, stellt Michael Herbst fest. Es sei schlicht unverantwortlich, Einsparungen in Aussicht zu stellen, wenn die Gelder dringender denn je gebraucht werden. „Die Bedarfe in der humanitären Hilfe müssen ebenfalls gedeckt werden“, ergänzt Herbst. „Der stark gekürzte Haushaltsentwurf für 2025 kann dabei auf gar keinen Fall die Messlatte sein, wenn wir auf die vielen Krisen dieser Welt mit angemessener Hilfe reagieren wollen.“
Die deutsche Regierung zeige damit zudem, dass sie sich mit der
historischen Verantwortung Deutschlands für die Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltiger Entwicklung kaum
identifiziere. „Diese Ziele können nicht mit warmen Worten erreicht
werden – es braucht schlicht eine ausreichende Finanzierung“, so Herbst.
Den Partnern im Globalen Süden werde mit der Entscheidung signalisiert,
dass ihre Belange kaum eine Rolle spielten, trotz eines eigenen
Entwicklungsministeriums. „Autokratischen Regimen wird so Tür und Tor
geöffnet, sich immer mehr Einfluss in Entwicklungsländern zu sichern.“
Das würde mittelfristig auch die wirtschaftlichen Perspektiven in
Deutschland verschlechtern: „Unsere Wirtschaft ist auf Exporte
angewiesen. Stabile Staaten ermöglichen gute Wirtschaftsbeziehungen und
bilden Absatzmärkte. So sichern wir auch hier Arbeitsplätze.“