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Wie das Coronavirus den Kampf gegen den Hunger gefährdet Die Pandemie als Armutstreiber

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Von Dr. Abdullah Shibli

Die Ernährungsunsicherheit in Bangladesch während der Corona-Pandemie steigt: Laut Global Food Security Index 2020 rangiert Bangladesch auf Platz 84 von insgesamt 113 Ländern weltweit und steht damit schlechter da als Indien, Nepal, Pakistan oder Myanmar. Bangladeschs Position in dem Ranking variiert zwar von Jahr zu Jahr, die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass die Ernährungsunsicherheit in Bangladesch im Vergleich zu den Nachbarländern größer ist. Selbst in nicht pandemiegeplagten Jahren leiden viele Teile der Bevölkerung unter Ernährungsunsicherheit.

Zweifelsohne hat das Land Fortschritte gemacht, was Einkommen- und Beschäftigungsentwicklung oder Ernährung angeht. Dennoch leben schätzungsweise 20 Prozent der Haushalte unter der Armutsgrenze; 25 bis 30 Prozent der Menschen hungern. Ein katastrophaler Schock von außen – wie die Corona-Pandemie und die immer wiederkehrenden Lockdown-Maßnahmen – wirken sich darauf nochmal stark aus. In einer Studie heißt es dazu, trotz erheblicher Fortschritte bei der Nahrungsmittelversorgung bleibt eine große Anzahl von Menschen angesichts periodischer Schocks hungrig. Und da Hunger und Unterernährung die Kehrseite wirtschaftlicher Einschnitte sind, ist die Rolle der Nichtregierungsorganisationen wichtig, und die Regierung muss Maßnahmen ergreifen, um langfristige Schäden abzuwenden, die eine Pandemie den Armen hinterlässt.

Aktuelle Gesundhetskrise

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) weist darauf hin, dass unter der Bevölkerung, die bereits unterernährt, geschwächt und anfällig für Krankheiten ist, nun eine "Krise in der Krise" entstehen könnte: Die aktuelle Gesundheitskrise durch Covid-19 wird durch eine Hungerkrise verschärft. Die Pandemie beeinträchtigt schließlich auch die Ernährungssicherheit von Menschen, die vor der Pandemie nicht arm, verschuldet oder arbeitslos waren.

Eine Stichprobenerhebung der Zeitung „The Daily Star“ ergab kürzlich, dass die Pandemie mehr als 24 Millionen Menschen neu in Armut gestürzt hat, was die Armutsrate des Landes auf etwa 42 Prozent erhöht. Die Umfrage wurde vom Power and Participation Research Centre und dem BRAC Institute of Governance and Development durchgeführt, bevor die zweite Corona-Welle das Land traf. Die Erhebung kam zu dem Schluss, dass die Mehrheit dieser Menschen einen "erheblichen Rückgang des Haushaltseinkommens" erlebte. Das Finanzministerium wies die Ergebnisse ab und verwies darauf, dass nur Datenerhebungen des staatlichen Bangladesh Bureau of Statistics (BSS) akzeptieren würden. Daber hatte eine weitere Studie bereits Anfang des Jahres ergeben, dass sich die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, von 21,6 Prozent im Jahr 2018 auf 42 Prozent im Jahr 2020 fast verdoppelt habe. Es bleibt zu hoffen, dass die Statistikbehörde BBS eilig Daten zu Armut und Hunger im Zuge der Pandemie erhebt und diese Grundlage für die Regierungspolitik und die wirtschaftlichen Maßnahmen nach der Pandemie werden.

Langfristige Folgen

Bei jüngsten wirtschaftlichen Einschränkungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie zeigte sich, dass insbesondere Menschen in wirtschaftlich ohnehin prekärer Lage betroffen sind. Und Nahrungsmittelunsicherheit betrifft überproportional oft jene einkommensschwache Gemeinden und arme Menschen in den Städten. Die kurz- und langfristigen Folgen: gesundheitliche Probleme. Aber die Covid-19-Pandemie und damit verbundene Schulschließungen, Ausgehbeschränkungen, Geschäftsschließungen und in der Folge Arbeitsplatzverlust vermögen deren Nahrungsmittelunsicherheit und damit verbundene gesundheitliche Risiken dramatisch zu verstärken. Und Studien zeigen das Offensichtliche: Einkommensverluste und Nahrungsmittelunsicherheit hängen deutlich zusammen. Wem Verdienst und Arbeit wegbrechen, der steht schneller vor der Nahrungsmittelkrise. In der Regel sind das eher Landwirte oder Lohnarbeiter und seltener Angestellte im öffentlichen Sektor oder Unternehmer. Zudem stehen für die Menschen höhere Einzelhandelspreise zu Buche, viele kaufen weniger frische Lebensmitteln und Gemüse – weil es weniger gibt, weil sie mehr kosten, weil das Einkaufen aufwändiger geworden ist, in Sorge wegen der Ansteckungsgefahr. Immer mehr Haushalte müssen bei der Quantität und Qualität ihres Lebensmittelkonsums Einschränkungen machen, haben eine geringere Kalorienzufuhr. Und diese beeinträchtigte Ernährung bedroht die Erfolge bei der Armutsbekämpfung. Obwohl die extreme Armut rückläufig ist, leben nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen immer noch fast 32 Prozent der Bangladescher unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Auch die Weltbank sagte in einem Bericht, die Auswirkungen der Pandemie führten "zu einem schweren und weit verbreiteten Anstieg der globalen Ernährungsunsicherheit“. Studien sagen zudem, dass die Ausgangssperren negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit sowie auf die psychische Gesundheit von Frauen haben – und Erfahrungen mit Gewalt in der Partnerschaft steigen.

Die politischen Implikationen sind klar: Es braucht angemessene Nahrungsmittelhilfe während der Corona-Pandemie und bei künftigen Gesundheitskrisen, eine gesunde Ernährung muss gefördert werden. Ein inklusives Wirtschaftswachstum muss gefördert werden und dabei müssen die Teile der Bevölkerung berücksichtigt werden, die am meisten mit Armut, Hunger und Unterernährung zu kämpfen haben. Es sollte eine umfassende nationale Strategie zur Ernährungsförderung entwickelt werden.

Dr. Abdullah Shibli ist Wirtschaftswissenschaftler und arbeitet seit 35 Jahren in den USA und Bangladesch im Bereich Hochschulbildung und Informationstechnologie. Er ist außerdem Senior Research Fellow am International Sustainable Development Institute, einer Denkfabrik in Boston, USA. Der Text erschien zuerst in der bangladeschischen Tageszeitung „The Daily Star“.

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