Interview Trumps Zölle und mögliche Neuausrichtungen Bangladeschs

Nach der Einführung neuer US-Zöllen durch Presidänt Trump, dem Besuch von Chefberater Yunus in China und dem Investitionsgipfel der bangladeschischen Investitionsförderungsagentur BIDA steht Bangladesch vor wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen. Im Interview mit The Daily Star ordnet Mustafizur Rahman, Experte für Entwicklungspolitik und internationalen Handel am Centre for Policy Dialogue (CPD), die Entwicklungen ein und skizziert mögliche Strategien für die Zukunft.
Welche wirtschaftlichen Chancen können sich aus der Stärkung der bilateralen Beziehungen Bangladeschs zu China ergeben?
Der jüngste Besuch von Chefberater Yunus in China war für Bangladesch aus mehreren Perspektiven von großer Bedeutung. Zunächst einmal ist China unser wichtigster bilateraler Handelspartner und die wichtigste Bezugsquelle für unsere Importe. In den letzten Jahren beliefen sich die durchschnittlichen Importe aus China auf etwa 20 Milliarden US-Dollar. Diese Importe sind für viele unserer exportorientierten Industrien, einheimischen importsubstituierenden Industrien und auch für unsere Verbraucher*innen von entscheidender Bedeutung. Andererseits spielt China eine zentrale Rolle in den Infrastrukturplänen Bangladeschs und ist an vielen unserer großen Infrastrukturprojekte beteiligt – darunter die Padma-Brücke, die Bahnverbindung über den Padma-Fluss, der Karnaphuli-Tunnel und viele andere wirtschaftliche, soziale und digitale Projekte. Bangladesch ist Teil der Belt and Road Initiative (BRI), dem chinesischen Infrastruktur- und Investitionsprogramm zur Wiederbelebung der historischen Seidenstraße, und viele Projekte werden im Rahmen dieser Initiative umgesetzt.
Es gibt erhebliche chinesische Investitionen in Bangladesch in verschiedenen Sektoren, jedoch nicht in dem Umfang, wie wir es uns erhofft hatten. Der Plan, am Südufer des Flusses Karnaphuli eine chinesische Wirtschaftszone zu errichten, konnte nicht rechtzeitig umgesetzt werden, aber es gibt Bestrebungen, ihn wiederzubeleben. Auch für Importe im Bereich der Verteidigung ist China nach wie vor unsere wichtigste Bezugsquelle.
Bangladesch hat insbesondere von der Exim Bank of China Darlehen für verschiedene Entwicklungsprojekte aufgenommen, die sich auf wirtschaftliche, soziale und Verkehrsinfrastruktur sowie auf die Einrichtung digitaler Konnektivität konzentrieren. Der Besuch des Chefberaters war daher eine hervorragende Gelegenheit, nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, sondern auch Diskussionen darüber zu führen, die Darlehensbedingungen zu überprüfen, Investitionen nach Bangladesch zu holen und Möglichkeiten für weitere Kredite aus China zu sondieren. Die meisten Darlehen aus China wurden zu einem Zinssatz von 2 Prozent aufgenommen, mit einer tilgungsfreien Zeit und einer Rückzahlungsfrist von 5 bis 20 Jahren. Dies war wichtig, da die Devisenreserven Bangladeschs unter Druck stehen und die Rückzahlungen aufgenommener Kredite zunehmend zur Belastung werden.
Nach dem Treffen wurde bekannt gegeben, dass China Investitionen in Höhe von etwa 2 Milliarden US-Dollar tätigen wird. China wird die Verlagerung einiger seiner Industrien nach Bangladesch prüfen, was Bangladesch einen Wettbewerbsvorteil beim Export nach China und in andere Märkte verschaffen könnte. Bisher gingen die meisten chinesischen Investitionen und ausgelagerten Industrien nach Vietnam, Kambodscha und in andere ostasiatische Länder. Bangladesch könnte ein wichtiger Knotenpunkt für chinesische Investitionen werden, insbesondere wenn die vorgeschlagene Sonderwirtschaftszone frühzeitig eingerichtet werden kann.
Laut Berichten hat Peking seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen. Was würde das bedeuten?
Das vorgeschlagene Freihandelsabkommen mit China muss sorgfältig geprüft werden, da es Bedenken hinsichtlich von Einnahmeverlusten gibt, wenn wir für Importe aus China Nullzollsätze einführen. Andererseits wird die Bedeutung eines bevorzugten Marktzugangs in China im Rahmen eines Freihandelsabkommens vorerst begrenzt sein, da unsere Exporte dorthin relativ gering sind. Im Rahmen des chinesischen Allgemeinen Präferenzsystems für die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) erhalten wir derzeit zoll- und quotenfreien Zugang zum chinesischen Markt. In diesem Zusammenhang ist das Angebot Chinas, den präferenziellen Marktzugang bis 2028 zu verlängern, zwei Jahre über die bevorstehende LDC-Graduierung Bangladeschs hinaus, eine positive Entwicklung.
Wenn es uns gelingt, Handel, Investitionen, Verkehrsanbindung und andere Formen der Zusammenarbeit – wie Technologietransfer, Produktivitätssteigerung und chinesische Investitionen – miteinander zu verknüpfen, wird das vorbereitete Freihandelsabkommen in Form eines umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens für Bangladesch von Vorteil sein. Es muss auf Gegenseitigkeit beruhen und die Unterschiede in unserem wirtschaftlichen Entwicklungsstand berücksichtigen.
Zwischen Indien und China herrscht politische Rivalität, auch das Verhältnis zwischen Bangladesch und Indien ist nicht spannungsfrei. Wie sollte Bangladesch seinen außenpolitischen Kurs ausrichten?
Ich gehe davon aus, dass die Ausbalancierung der Beziehungen zwischen Indien und China weiterhin im Mittelpunkt der aktuellen geostrategischen Ausrichtung Bangladeschs steht. Die verstärkten Beziehungen zu China sollten nicht als Widerspruch zur klar formulierten Politik Bangladeschs zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit Indien gesehen werden. Beide Beziehungen müssen auf der Grundlage von Win-Win-Ergebnissen gestaltet werden.
Indien ist nach wie vor ein wichtiger Handelspartner, da es bei vielen Konsumgütern Vorteile in Bezug auf die Preisgestaltung und die Lieferzeiten bietet. Bangladesch hat von Indien Kredite in Höhe von 8 Milliarden US-Dollar erhalten, viele Projekte werden im Rahmen dieser Kredite umgesetzt. Der zoll- und quotenfreie Marktzugang, den Indien Bangladesch für fast alle Waren gewährt, kommt unseren Verbraucher*innen, Produzent*innen und Exporteur*innen zugute.
Natürlich gibt es Herausforderungen bei der Vertiefung der bilateralen Beziehungen, die nicht ignoriert werden können, etwa bei der Nutzung des Teesta-Flusses und der gemeinsamen Bewirtschaftung anderer Flüsse. Bangladesch ist jedoch sehr daran interessiert, über diese Fragen zu verhandeln.
Früher waren wir zuversichtlich, dass der geplante Wirtschaftskorridor Bangladesch–China–Indien–Myanmar (BCIM) eine wichtige Rolle bei der Vertiefung von Verkehrs-, Handels-, Investitions-, Logistik- und zwischenmenschlichen Verbindungen spielen würde. Leider ist das Projekt nach einem vielversprechenden Start ins Stocken geraten. Solche multilateralen Kooperationsinitiativen können Bangladesch helfen, seine geostrategische Lage zu nutzen und gleichzeitig regionale Spannungen abzubauen.
Vor diesem Hintergrund sind die Zölle von Trump ein weiteres geoökonomisches Problem. Welche Schritte sollte die Übergangsregierung unternehmen?
Die Zölle verstärken die Notwendigkeit, Märkte und Produkte zu diversifizieren und die regionale Zusammenarbeit zu stärken. Unsere Strategie sollte zweigleisig sein.
Erstens muss Bangladesch weiterhin mit den USA zusammenarbeiten, dem größten Einzel-Exportmarkt des Landes. Erste Schritte wurden unternommen – etwa ein Schreiben von Chefberater Yunus an Präsident Trump. Die Nationale Handelskammer prüft, was Bangladesch den USA anbieten kann. Gleichzeitig sollten wir erkennen, dass die globale Handelssituation zunehmend unsicher wird. Für Länder wie Bangladesch bleibt ein regelbasiertes multilaterales Handelssystem – wie das der Welthandelsorganisation – die beste Option, auch wenn dieses System durch die US-Politik stark geschwächt wurde.
Zweitens sollten wir uns zwar mit den kurzfristigen Auswirkungen der Zölle befassen, gleichzeitig aber auch multilaterale Initiativen wie eine Wiederbelebung der Südasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft und bilaterale Beziehungen zu Ländern wie Indien und China stärken, um unsere Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. Auch die Zusammenarbeit mit der Vereinigung Südostasiatischer Nationen sollte Teil einer umfassenden Strategie sein.
Doch es gibt auch gute Argumente für die Zusammenarbeit mit den USA. Obwohl wir einen bilateralen Handelsüberschuss mit den USA von rund 7 Milliarden US-Dollar haben, ist Bangladesch einer der größten Importeure von US-Baumwolle. Diese wird für unsere Bekleidungsexporte in die USA verwendet – unsere Importe stehen also in engem Zusammenhang mit US-Exporten. Zudem gibt es keine Einfuhrzölle auf viele US-Produkte wie Baumwolle, Weizen oder Sojabohnen. Bei anderen Produkten wie Flüssiggas sind die Zölle sehr niedrig. Bangladesch könnte prüfen, bei welchen US-Produkten eine weitere Senkung möglich ist, ohne die Einnahmen stark zu belasten.
Wir sollten identifizieren, bei welchen Artikeln die USA Exportinteressen haben, und analysieren, wie eine Zollsenkung umgesetzt werden könnte. Parallel dazu müssen wir das Investitionsklima verbessern. US-Direktinvestitionen in Bangladesch sind derzeit sehr gering. Die Beseitigung der Hindernisse für US-Investitionen sollte Teil der Verbesserung unseres allgemeinen Investitionsklimas sein, indem die Kosten für die Geschäftstätigkeit gesenkt und notwendige Reformen durchgeführt werden.
Der aktuelle Investitionsgipfel der Bangladesh Investment Development Authority (BIDA) zeigt, dass globales Interesse an Bangladesch besteht. Wenn wir in der Lage sind die erforderlichen Dienstleistungen wie ungenutzte Flächen, gute Infrastruktur, qualifizierte Fachkräfte sowie eine zuverlässige Versorgung mit Energie bereitzustellen, können wir dieses Interesse der Investoren in höhere ausländische Direktinvestitionen in Bangladesch umwandeln.
Ein starker Zufluss ausländischer Direktinvestitionen würde in vielerlei Hinsicht unterstützen: Er könnte helfen, den Übergang aus dem LDC-Status zu bewältigen, auf globale Handelsturbulenzen zu reagieren, menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen und die Exportmärkte sowie -produkte stärker zu diversifizieren. Zudem würde er uns besser darauf vorbereiten, mit mehr Wettbewerbsfähigkeit in regionale Märkte einzutreten. Trotz des enormen Importvolumens in Indien und China ist Bangladeschs Anteil an den Exporten in diese beiden Nachbarländer bislang vergleichsweise gering. Wenn wir die Investitionen in die regionalen Märkte erhöhen können, können wir von dem zoll- und quotenfreien Zugang profitieren, der im Rahmen der LDC-Programme Indiens und Chinas gewährt wird. Bangladesch könnte eine Verlängerung des Zugangs zum indischen Markt für Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen über den Zeitplan für die Graduierung der LDC hinaus anstreben, um den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen.Hier liegt großes Potenzial.
Erschwert die derzeitige geopolitische Lage den Übergang aus dem LDC-Status?
Die Trump-Zölle und die umfassenderen Herausforderungen auf dem Weltmarkt machen es für Bangladesch noch dringender, proaktive Schritte in Richtung einer reibungslosen und nachhaltigen LDC-Graduierung zu unternehmen. Die jüngsten Entwicklungen – der Investitionsgipfel, der Besuch in China, das Treffen zwischen Chefberater Yunus und Premierminister Modi – sind Teil einer größeren Strategie.
Nach der Graduierung werden wir keinen zoll- und quotenfreien Marktzugang mehr haben. Der Druck, die Rechte des geistigen Eigentums, Arbeitsnormen und Umweltvorschriften einzuhalten, wird zunehmen. Wenn wir ausländische Direktinvestitionen anziehen wollen, müssen wir auch in diesen Bereichen die Einhaltung der Vorschriften verbessern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Produzent*innen und Arbeitnehmer*innen stärker unterstützt werden. Eine höhere Produktivität – von Arbeit und Kapital – ist zentral.
Ein gesamtgesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Ansatz wird der Schlüssel zu einer nachhaltigen Graduierung aus der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder sein.
Dieses Interview wurde von Ramisa Rob geführt. Es erschien im Englischen Original am 09.04.2025 in der Zeitung "The Daily Star".